Feministische Wissenschaftstheorie

Die feministische Wissenschaftstheorie fasst feministisch inspirierte Forschungsansätze auf dem Gebiet der Wissenschaftsforschung und -theorie zusammen und kritisiert den noch heute allgegenwärtigen[1] Androzentrismus in der Wissenschaft. Viele ihrer Konzepte zielen darauf ab, auf Basis feministischer Erkenntnisse ein erneuertes Verständnis von Wissenschaft zu schaffen. Darüber hinaus fragt sie auch, wie Geschlechterverhältnisse und Geschlechtsbilder in der Wissenschaft zustande kommen. Sie gilt als Teilgebiet der feministischen Philosophie, ist aber bisher nur an US-amerikanischen Universitäten etabliert.[2] Die feministische Wissenschaftstheorie weist Überschneidungen mit der feministischen Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsgeschichte auf.[3] Ihre Anfänge liegen in einer marxistisch-feministisch orientierten Kritik von Herrschaft, die in Wissenschaft und Technik ein Instrument männlicher Hegemonie ausmachte. Ihre Vertreterinnen stammten zumeist aus der naturwissenschaftlichen Forschung und versuchten vor dem Hintergrund der Zweiten Welle des Feminismus, ihre Disziplinen einer Ideologiekritik zu unterziehen. Gegen Ende der 1980er Jahre entstanden neue Ansätze, die auch die einheitliche Kategorie des Weiblichen hinterfragten und ein optimistischeres Bild von Wissenschaft und Technik zeichneten. In diesem Zug kam es auch zu einem verstärkten Austausch mit anderen Ansätzen der Science and Technology Studies (STS), die etwa im gleichen Zeitraum in Großbritannien und Frankreich entstanden waren.

Der feministischen Wissenschaftstheorie wird im Rahmen der allgemeinen feministischen Theoriebildung eine große Bedeutung zugesprochen, da etwa eine kritische Untersuchung von humanwissenschaftlichen Kategorien zentral für ein Verständnis der Geschlechtervorstellungen sei. Feministische Ansätze werden zudem in der allgemeinen Wissenschaftstheorie diskutiert, da sie allgemeine wissenschaftstheoretische Fragen thematisieren. So wird auch die allgemeine Frage nach der Wertneutralität der Wissenschaften oder nach der Notwendigkeit einer Wissenschaftskritik unter Bezugnahme auf feministische Theoretiker geführt.

  1. April H. Bailey, Marianne LaFrance, John F. Dovidio: Implicit androcentrism: Men are human, women are gendered. In: Journal of Experimental Social Psychology. Band 89, 1. Juli 2020, ISSN 0022-1031, S. 103980, doi:10.1016/j.jesp.2020.103980 (sciencedirect.com [abgerufen am 11. November 2023]).
  2. Feminist Epistemology and Philosophy of Science, Eintrag in der Stanford Enzyclopedia of philosophy, 2000
  3. Etwa: Londa Schiebinger: Nature's Body: Gender in the Making of Modern Science, Rutgers University Press, 2004, ISBN 0-8135-3531-X

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